Regeln machen mich nervös

Regeln sind wohl die expliziteste aller Konventionen. Wenn ich ihnen ausgesetzt bin, finde ich mich oft in einem Wechselbad der Gefühle wieder: Mein Drang nach Freiheit konkurriert unmittelbar mit meinem Konformitätsbedürfnis. Kennst du das auch?

Allzu oft machen Regeln keinen Sinn. Und sie haben toxische Nebenwirkungen.

Was steckt eigentlich hinter Regeln?

In den seltensten Fällen entstehen Regeln aus böser Absicht. Häufig sind sie die Reaktion auf eine Ausnahmesituation, die man so nicht noch einmal erleben möchte. Oder sie werden pro-aktiv eingerichtet, um Ereignissen vorzubeugen, die man vermeiden möchte, z.B. von Eltern: „Du darfst den Werkzeugkoffer ohne unsere Aufsicht nicht öffnen„.

Regeln sollen Wissen konservieren. Sie sind eine Abkürzung. Das ist ihre Funktion. Gäbe es keine Regeln, müsste man ja jedes Mal alles aufs Neue erklären. Das würde viel Zeit kosten und wäre in manchen Situationen gefährlich. Je nach Anflug hat der Pilot das Fahrwerk etwa 9 km vor dem Landepunkt auszufahren. Sinnvoll!

Häufig verlieren Regeln ihren Anlass. Deshalb sollten Unternehmen z.B. regelmäßige Regelinventuren durchführen.

Oft hatten Regeln aber auch nie einen Anlass. Dann sind sie einfach nur das Ergebnis eines gelernten Reflexes: Nämlich durch Verantwortungsentzug Ereignissen vorzubeugen, die eventuell eintreten könnten, wenn die Handelnden nicht verantwortlich handeln.

Unsere Gesellschaft ist voll von solchen Regeln. Eltern die ihren Kindern lieber noch einmal eine Regel mehr geben; der Staat der in vorauseilender Regelungswut lieber noch eine Norm erlässt; Chefs, die ihren Mitarbeiter die Kompetenz zur eigenen Entscheidungsfindung absprechen, obwohl sie viel näher am Ort des Geschehens sind als der Chef selbst.

Diese Regeln sind gefährlich, denn sie entmündigen uns. Und Entmündigung ist der unschuldig erscheinende kleine Samen der totalitären Idee. „Ich liebe Euch doch alle“ hat Erich Mielke (Minister für Staatssicherheit in der DDR) gesagt, als er sich selbst einredete, dass die Kontroll- und Überwachungssysteme ja dem Volk dienten.

Natürlich gibt es auch viele sehr nützliche Regeln. Es gilt also – wie bei jeder Konvention – nicht der Regel per se eine Absage zu erteilen, sondern sehr viel umsichtiger mit der Einführung und dem Erhalt von Regeln umzugehen.

Deine Challenge

Versuche es mal! Wie im Video vorgeschlagen, empfehle ich dir eine Woche lang jede Regel zu notieren, der du ausgesetzt bist oder die du anderen nahelegst. Die Liste wird lang und der Reflexionsprozess ist ein spannender.

Wo bin ich hier?

Bist du zufällig oder per Empfehlung auf dieser Seite gelandet? Sie ist Teil einer achtwöchigen Serie über die Art und Weise wie ich Konventionen kritisch hinterfrage und so zu einem ungezwungenen und sehr selbstwirksamen Leben gefunden habe. Hier lernst du mehr.